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Mehrwertsteuererhöhung für Hotels: Eine teure Fehlentscheidung?
DEN HAAG · Die niederländische Regierung plant eine drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen, Bed & Breakfasts und Ferienparks von 9 auf 21 Prozent. Mit dieser Maßnahme soll das Haushaltsdefizit verringert werden. Doch laut einer Analyse der ABN AMRO Bank könnte diese Steuererhöhung das Gegenteil bewirken: Statt zu steigenden Staatseinnahmen könnte die Reform zu geringeren Umsätzen und damit verbundenen Steuerausfällen führen. Vor allem die Hotelbranche sieht sich erheblichen Herausforderungen gegenüber, da ein Teil der Gästezahlen zurückgehen und das wirtschaftliche Umfeld verschärft werden könnte.
Der niederländische Staat plant, die zusätzliche Mehrwertsteuer (BTW) auf Hotelübernachtungen und ähnliche Unterkünfte ab 2025 einzuführen. Damit erhofft sich die Regierung jährliche Mehreinnahmen von rund 1,2 Milliarden Euro, von denen allein 910 Millionen Euro von Hotels erwartet werden. Doch Experten der ABN AMRO Bank haben die Pläne einer genaueren Analyse unterzogen und kritisieren die Annahmen des Kabinetts scharf. Sie bemängeln grobe Rechenfehler und ungenaue Kalkulationen, die letztendlich zu deutlich niedrigeren Einnahmen führen könnten.
> Interview mit Stef Driessen (ABN AMRO) auf NPO Radio 1
Fehlende Berücksichtigung von Umsatzelementen
Das Kabinett geht in seinen Berechnungen von einer jährlichen Gesamtumsatzhöhe der Hotelbranche von 6,8 Milliarden Euro aus. Doch hier liegt laut ABN AMRO bereits ein entscheidender Fehler vor. Ein erheblicher Teil der Umsätze stammt nämlich nicht aus Übernachtungen, sondern aus dem Verkauf von Speisen und Getränken oder der Vermietung von Tagungsräumen und Freizeitausrüstung – Bereiche, die von der Steuererhöhung nicht betroffen sind. So sind bereits 36 Prozent des Hotelumsatzes in diesen Kategorien zu verorten, die auch weiterhin dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen.
Darüber hinaus machen Geschäftskunden etwa 40 Prozent der Hotelgäste aus. Für diese Gruppe stellt die Mehrwertsteuererhöhung keinen großen Unterschied dar, da Unternehmen die gezahlte Steuer bei der Steuererklärung zurückfordern können. Dies mindert die erwarteten Mehreinnahmen erheblich. Nach Berechnungen der ABN AMRO wird die Steuererhöhung somit nur etwa 285 Millionen Euro für den Staat einbringen – weit entfernt von den erwarteten 910 Millionen Euro.
Kettenreaktion mit weitreichenden Folgen
ABN AMRO warnt zudem vor einer Kettenreaktion, die sich negativ auf verschiedene Sektoren der Freizeitindustrie auswirken könnte. Die Hotelbranche, die sich gerade erst von den massiven Verlusten während der Corona-Pandemie erholt hat, steht durch die Steuererhöhung erneut unter Druck. Sinkende Margen, die teilweise bereits bei nur 10 bis 12 Prozent liegen, könnten viele kleinere Hotels und Boutique-Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Sollte die Branche aufgrund der zusätzlichen Belastungen Verluste erleiden, könnte dies nicht nur zu einem Rückgang der Unternehmenssteuern führen, sondern auch die Umsatzsteuern und touristischen Abgaben erheblich mindern.
Auch die Zulieferer und Partnerunternehmen der Hotellerie, von lokalen Restaurants bis hin zu Freizeitanbietern, sind betroffen. Viele dieser Betriebe sind auf Touristen und Geschäftsreisende angewiesen, die in Hotels übernachten. Ein Rückgang der Hotelbuchungen könnte demnach zu sinkenden Umsätzen und damit geringeren Steuerabgaben in diesen Sektoren führen. Laut dem Tourismus- und Kongressbüro NBTC gibt ein durchschnittlicher Hotelgast rund zwei Drittel seines Reisebudgets außerhalb des Hotels aus – Gelder, die bei weniger Hotelübernachtungen den umliegenden Unternehmen fehlen würden, so das AD heute.
Langfristige Belastungen für die niederländische Wirtschaft
Insgesamt warnt ABN AMRO davor, dass die Maßnahme weitreichendere Konsequenzen für die niederländische Wirtschaft haben könnte, als das Kabinett derzeit annimmt. Durch den Rückgang von Tourismus- und Geschäftsreisen sowie durch die sinkenden Gewinne in der Hotelbranche könnten viele andere Bereiche ebenfalls betroffen sein. Die Regierung sollte daher die Entscheidung überdenken und die potenziellen negativen Auswirkungen umfassender berücksichtigen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird.
Die geplante Mehrwertsteuererhöhung von 9 auf 21% könnte insbesondere die unteren Einkommensgruppen hart treffen, da der Tourismus in den Niederlanden für viele Bürger eine erschwingliche Möglichkeit darstellt, Urlaub zu machen. Teurere Übernachtungen könnten dafür sorgen, dass die Nachfrage stark sinkt, was den touristischen Sektor langfristig weiter schwächen würde.
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Kommentare
Kommentar von Rainer N. |
Hallo und guten Tag,
ein wirklich guter Artikel, bei dem mir allerdings der Hinweis auf die Ferienhausbesitzer fehlt, die ebenfalls von dieser Gesetzesänderung betroffen wären. Gleichwohl würde mich interessieren, ob die ABN Amro-Untersuchung auch hierzu Stellung bezogen hat und wie groß dieser Anteil an den Steuereinnahmen darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer N.
Antwort von Redaktion
Sehr geehrter Rainer N.,
vielen Dank für Ihren Kommentar und die berechtigte Frage bezüglich der Ferienhausbesitzer. Sie haben vollkommen recht: Diese Gruppe wird durch die geplante Mehrwertsteuererhöhung ebenfalls stark betroffen sein, und es ist ein wichtiger Punkt, den wir im Artikel hätten erwähnen sollen. Die Analyse von ABN AMRO, auf die wir uns beziehen, schließt auch Ferienhäuser und Bed & Breakfasts in ihre Untersuchungen ein.
Laut den Untersuchungen erwartet die niederländische Regierung insgesamt 302 Millionen Euro an Mehreinnahmen von "sonstigen Unterkunftsanbietern", zu denen auch Ferienhäuser gehören. Im Gegensatz zu Hotels, bei denen ein erheblicher Teil der Umsätze aus Verpflegung oder Zusatzangeboten stammt, entfallen bei Ferienhäusern die Einnahmen meist ausschließlich auf die Vermietung. Daher trifft die Steuererhöhung Ferienhausbesitzer direkt und in vollem Umfang.
Wir hoffen, dass dieser Punkt nun klarer wird und danken Ihnen nochmals für den wertvollen Hinweis!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Redaktion
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